Denkmal-Landschaft Peenemünde – Station 3 Das Sauerstoffwerk
Das Sauerstoffwerk in Peenemünd ist heute das einzige große Gebäude der ehemaligen Heeresforschungsanstalt neben dem Kraftwerk, das fast vollständig erhalten ist. Der Ende 1938 beschlossene weitere Ausbau des Heeresforschungsinstituts umfasste auch die Serienproduktion von Raketen. Dies machte jedoch die Herstellung von flüssigem Sauerstoff – neben mit Wasser verdünntem Alkohol der zweite Bestandteil des A4-Raketentreibstoffs („V2“) – großtechnisch vor Ort erforderlich. Für einen Raketenstart wurden jeweils etwa 4 t der beiden Komponenten benötigt. Das bisher in der Entwicklungsanlage vorhandene Sauerstoffsystem reichte für die nun benötigten Sauerstoffmengen nicht mehr aus.
Zweck des Sauerstoffkraftwerkes in Peenemünde
Ab Juli 1942 wurde auf dem Gelände des zerstörten Dorfes Peenemünde eine zweite Sauerstoffanlage errichtet. Hier wurden 24 Stunden am Tag in drei Schichten täglich 13.000 kg flüssiger Sauerstoff abgesaugt. In einem aufwendigen physikalischen Verfahren (Linde-Verfahren) wurde Luft in ihre Bestandteile zerlegt und Sauerstoff auf -183°C abgekühlt und dabei verflüssigt. Dieser flüssige Sauerstoff wurde in isolierten Kesselwagen zu den Prüfständen transportiert. Der Energiebedarf der Sauerstoffanlage war sehr hoch. Von den 30 MW Leistung der Anlage verbrauchte allein die Sauerstoffanlage 22 MW. Trotz der Schäden durch die alliierten Bombardements 1944 konnte die Sauerstoffproduktion ohne größere Einschränkungen fortgesetzt werden.
Die Architektur des Bauwerks
Der Sauerstoffbau zeugt von der spezifischen Architektur, die auf die zweite Ausbaustufe des Heeresforschungsinstituts ab 1939 zurückzuführen ist. Das Gebäude misst 73,10 Meter entlang der Straße, ist 42,60 Meter tief und 20,80 Meter tiefer als der Heizraum des das relativ nahegelegene Kraftwerk. Das Gebäude ist – wie das Kraftwerk – ein dunkelroter Backsteinbau, der in Stahlbeton-Skelettbauweise errichtet wurde. Diese Materialien und architektonischen Elemente prägen nicht nur die Großbauten in Peenemünde, sondern nahezu alle Gebäude mit den unterschiedlichsten technischen Funktionen. Der Anspruch, einzelne Gebäude zu einem höheren Ganzen zu gestalten, lässt sich in den Entwurfszeichnungen des Schlempp-Ensembles und bis heute in den baulichen Überresten der Heeresforschungsanstalt ablesen. Die Sauerstoffanlage ist – zusammen mit dem gesamten Kraftwerkskomplex und der Hafenanlage – technisch, funktional und gestalterisch eines der zentralen Bauwerke Peenemündes.
Nutzung nach dem Krieg
Nach dem Krieg wurden im Auftrag der sowjetischen Militärverwaltung die technischen Anlagen demontiert und zum Teil in Bützow (Kreis Güstrow) für den Bau einer neuen Sauerstoffanlage weiterverwendet. Das Gebäude in Peenemünde wurde durch Demontage und Sprengversuche schwer beschädigt. Während der Bauarbeiten der Marine im Haupthafen Peenemünde befanden sich im alten Sauerstoffwerk ab 1951 die Lagerräume und das Büro der Baufirma. Seitdem ist das denkmalgeschützte Gebäude eine Ruine in Peenemünde.
Um dieses Gebäude zu sichern und zukünftig für Besucher zugänglich zu machen, werden derzeit verschiedene Maßnahmen ergriffen. Das Projekt gliedert sich in drei Phasen. In einem ersten Schritt muss neben der Bestandsaufnahme das gesamte Areal von Vegetation und Schutt befreit werden. Anschließend ist geplant, das Gebäude mit einer Lichtinstallation in Szene zu setzen. In der letzten Phase werden die Besucher durch die Installation von Außentreppen und anderen Eingängen verschiedene Informationen erhalten.